Peter Hollo: Recruitment als Generationskonflikt

Wissen Sie, was für viele Unternehmen eine der hartnäckigsten Herausforderungen im Recruitment ist? Eine Unternehmenskultur und Personalentscheider, die im Arbeitgebermarkt der 80er und 90er des letzten Jahrhunderts geformt worden sind, treffen auf eine Generation von jungen Talenten. Das wäre per se nicht schlimm, wenn sich die Welt nicht weitergedreht hätte und alte Spielregeln schon lange nicht mehr gelten würden. Heute haben wir einen Arbeitnehmermarkt. (Junge) Talente prüfen sehr genau, für welches Unternehmen sie sich entscheiden werden. Sie haben teilweise vollkommen andere Wertesysteme und Ansprüche, die sie an Unternehmen stellen. Ging es vor 25 Jahren noch um Härte, Flexibilität und Identifikation mit dem Unternehmen, bis hin zur Selbstaufgabe, so hat sich der Blickwinkel heute vollkommen verschoben. Arbeitswelten, die nicht in das persönliche Weltbild passen, stoßen auf Ablehnung. Vorbei sind die Zeiten, als es als Ritterschlag empfunden wurde, wenn man das Privatleben wegen des Jobs hinten anstellen musste oder gar ein Umzug in irgend einen entlegenen Winkel dieser Welt bevor stand. Harte Hunde, deren Karrieren im Stahlgewitter des Corporate Germany vergangener Jahrzehnte geschmiedet worden sind, so das Selbstbild, treffen plötzlich auf eine Generation von weichgespülten Schlaffis, so das Fremdbild. ...und sie verstehen sie nicht. Sollten sie aber!

 

Räumen wir an dieser Stelle mal mit der Legendenbildung auf. Weil vieles an der Karriere früherer Zeiten gar nicht so heldenhaft war, sondern lediglich der Not und den Umständen geschuldet. Dem Wissen, dass auf jede Stelle, auf die man sich bewarb, sich noch mindestens 500 andere, mindestens gleich gut Qualifizierte, ebenfalls bewarben. Da war es weniger Heldenmut und persönliche Härte, sondern die pure wirtschaftliche Not, dass man nach jedem Knochen schnappte und zu jedem faulen Kompromiss bereit war. Da half dann oft nur noch schönreden. Und heute? Rückblickend? Wer kennt sie nicht, die Macht der romantischen Verklärung.

 

Das alles wollen wir doch bitte nicht einer Generation vorwerfen, die das schlicht und einfach nicht mehr nötig hat. Allerdings, auch das soll an dieser Stelle mal gesagt werden, auch die Generation Z ist nicht mehr und nicht weniger ein Kind ihrer Zeit, als andere Generationen vor ihr. Die Generation Z ist Profiteur des technischen Fortschritts und der Demographie und keinesfalls so reflektiert, moralisch oder gar ethisch überlegen, wie sie es gerne sein will. Es ist wohl mehr die Gnade der späteren Geburt.

 

Aber sei´s drum. An dieser Stelle geht es nicht um Bewertungen, die ohnehin nicht mehr als subjektiv sein können, sondern darum, dass es heute mehr als jemals zuvor gilt, Talente für das eigene Unternehmen zu begeistern, sprich Interesse, Identifikationsbereitschaft und Loyalität zu entwickeln. Denn apropos Fachkräftemangel. Ich wage die provokante These, Fachkräfte gibt es genug. Sie gehen heute nur woanders hin. Unternehmen, die darüber klagen, sind weniger Opfer einer Entwicklung, sondern deren Verursacher. Projektion wird an dieser Stelle nicht helfen, sondern einzig und alleine die Beschäftigung mit der Zielgruppe und das adjustieren und adaptieren des eigenen Verhaltens im Personalmarketing.

 

Viel mehr als jemals zuvor, gilt bei der Personalakquise das Prinzip der Augenhöhe. Für hierarchische Ansätze ist kein Platz mehr. Es gilt, aktiv dort präsent zu sein, wo sich die Komfortzone des Kunden, sorry, des Talents befindet. Auch da gibt es eine ungeheure Bandbreite. Das beginnt bei der Nutzung von Corporate Blogs, Karrierenetzwerken, Social Communities oder den bekannten sozialen Netzwerken und setzt sich fort in Recruitment Days, Talent Akquisition Events oder bei der direkten Akquise echter Spitzenleute an Universitäten und Hochschulen. 

 

Der Wettbewerb um die Besten beginnt nicht erst mit der öffentlichen Bedarfsanmeldung per Anzeige, sondern ist zu einem permanenten proaktiven Prozess geworden, der dem der Kundengewinnung und -bindung in nichts mehr nachsteht. Neben der peniblen Pflege und Steuerung des Unternehmens-Images und der öffentlichen Wahrnehmung auf allen Kanälen, gehören dazu eine zeitgemäße Führungs- und Kommunikationskultur. Werte, Einstellungen und Überzeugungen, Strategien, Ziele, Arbeitsinhalte und Arbeitsbedingungen, welche auf der Höhe der Zeit sind. Stellenanzeige raus, zurücklehnen und Cherrypicking in einem Pool von erwartungsfrohen Aspiranten und Aspirantinnen – das ist vorbei. 

 

Vorbei ist damit auch die Zeit der drögen Stärken-Schwächen-Interviews. Die Eignung eines Talents für das Unternehmen ergibt sich aus dessen Aus- und Weiterbildung, sowie seinem beruflichen Werdegang. Sie hängt in hohem Maße davon ab, ob gemeinsame Werte oder Überzeugungen geteilt werden, ob es gelingen wird Loyalitäten und Commitments zu schaffen und damit einen persönlichen Beitrag des Talents zur Verbesserung der Produktivität des Unternehmens wahrscheinlich zu machen. Und wie finden Sie das heraus? Neben sehr kreativen Ansätzen in Job-Interviews, welche besonders US-amerikanische Unternehmen verfolgen (googeln Sie einfach mal), kann ich Ihnen auch an dieser Stelle wieder zu einem gemeinsamen offenen Gespräch auf Augenhöhe raten. Offenheit erzeugt Offenheit. Sie werden sehr schnell herausfinden, ob das Talent zu Ihrem Unternehmen passt ...und anders herum.

 

Für alle Maßnahmen, auch die klassischen, wie Anzeige raus und abwarten, gilt: Personalmarketing oder -akquise ist keine Praktikantenarbeit, zu keiner Stufe des Prozesses. Beides ist Chefsache! Sind wir mal ehrlich. Wie viele Unternehmen kennen Sie, bei der die erste Sichtung von Bewerbungen durch allerlei preiswerte aber dafür unerfahrene Mitarbeiter(-innen) erledigt wird?Machen Sie auch so? Weil´s  so langweilig und zeitaufwändig ist? Okay... Tja, es ist nicht immer die große Geste, die den Unterschied macht. Manchmal steckt der Teufel in einem ganz alltäglichen Detail.

 

Wir reden die ganze Zeit über gemeinsame Werte und Überzeugungen. Kennen Sie denn die Ihrigen? Haben Sie diese für Ihr Unternehmen jemals entwickelt oder definiert? Kommuniziert? Oder gehen Sie einfach davon aus, das sei schon klar. Was sind denn die Werte Ihres Unternehmens, das Leitbild, Ihre Ziele und Strategien? Zusammengefasst, was ist Ihr Employer USP? Wenn Sie sich bisher noch nicht aktiv damit befasst haben, dann tun Sie das jetzt. Employer Branding. Eine starke Arbeitgebermarke, mit Akzeptanz und Strahlkraft, wird zukünftig einer der ganz entscheidenden Faktoren für den Erfolg und das Fortbestehen Ihres Unternehmens sein.

 

Noch ein letztes Wort zum Schluss. Es geht nicht darum sich anzubiedern. Es geht auch nicht darum, Kuschelpolitik zu betreiben oder alles umzusetzen, was die Generation Z erwartet. Es geht darum, sich mit der Generation Z zu beschäftigen. Auch wenn das für Einzelne unbequem ist oder vollkommen von Gelerntem abweicht. So weitermachen wie bisher, soviel ist sicher, das wird nicht funktionieren. Es geht darum, Antworten zu finden. 

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