Während sich heute jedes Kleinstgrüppchen beleidigt fühlen darf und solches medial und politisch assistiert gerne zur Profilschärfung oder zur Erhöhung der Auflage möglichst überdimensional aufgebläht unters sensationsgierende Konsumvolk gebracht wird, so gibt es für eine Sache nicht einmal ein richtiges Fremdwort. Nämlich für die tief verwurzelte Altersfeindlichkeit oder vielleicht sogar -angst, in unserer Gesellschaft. Die letzte dafür entwickelte Beschreibung entstand in den 1960er Jahren und geistert als Ageismus durch einige wenige Texte zum Thema. Nennen wir es doch mal beim Namen: Gerontophobie, die Angst oder der Hass gegenüber alten Menschen und gegenüber dem Altern selbst. Darum geht´s.
Alt bedeutet, der alte Sabbelkopp, der eh nur Unsinn redet, der das Klima zerstört und die Einhörner ermordet hat. Die Armee der ewig gestrigen Boomer mit Brett vorm Kopf und Fremdenfeindlichkeit im Herzen. All jene rückwärts gewandten Auspuffschnüffler und Atomkraftfetischisten, neue Technologien und Gedanken ablehnende präsenile Wirrköpfe und -innen. Rente? Egomanes Anspruchsdenken vom Leben bevorzugter Anti-Veganer.
Liebe Leute, der Opa von heute ist nicht vor Stalingrad im Schützengraben gelegen. Und die Oma hat nicht in der Kittelschürze Marmelade eingekocht. Die sind mit dem Fahrrad zur Schule gefahren und nicht mit dem Familienpanzer. Die haben sich bei Woodstock einen Joint (und mehr) reingezogen, haben im Miniröckchen und mit politischen Parolen das Establishment herausgefordert. Sie haben das Internet erfunden und das Handy. Haben sich als Punks Sicherheitsnadeln durch die Ohrläppchen gesteckt oder gegen Atomkraft oder sauren Regen demonstriert. Sie sind ins Berufsleben eingestiegen, als sie noch für jede noch so dämliche Stelle 4-500 andere Mitbewerber*innen hatten. Sie sind quer durch die Republik und die ganze Welt gezogen. Nicht für Work and Travel oder kuschelige Selbstfindungstrips, sondern weil das die einzige Möglichkeit war einen Job zu bekommen, auch die weniger guten. Sie haben sich 40 Jahre oder mehr den A*sch aufgerissen, brav Steuern und in die Rente eingezahlt.
Glaubt jemand wirklich, diese ganze Generation ist im Gestern stehen geblieben? Sie haben sich weiterentwickelt, dazu gelernt und sich unschätzbare Erfahrung und solides Fachwissen erarbeitet. Und trotzdem will sie keiner haben. Die Unternehmen nicht und der Staat... nun ja... Rente... da müssen wir nochmal drüber reden.
Wenn du dich heute in einem Unternehmen bewirbst:
- Mit 40: Geht gerade noch.
- Mit 50: Jetzt wird´s eng.
- Mit 60: Da wirst du vorher vom Blitz erschlagen und gewinnst am gleichen Tag im Lotto, als dass das noch etwas werden könnte.
Was, glaube ich, weder Politik noch die Medien so richtig verstanden haben: Selbst die, die gerne bis 70 arbeiten wollen, die will doch niemand! Es gibt einen Punkt, da kriegst du keinen Job mehr! Punkt! Die Rente mit 63 ist für viele der allerletzte Rettungsring, damit 40 Jahre Arbeit und schaffe schaffe Häusle baue nicht umsonst waren: Hohe Abschläge in Kauf nehmen und sich in die Rente verabschieden um nicht am Ende des Arbeitslebens zum Sozialfall zu werden. Da zieht man Altersarmut in Raten gerne dem sofortigen sozialen Abstieg vor. Die Pest wird quasi mit der Cholera ausgetrieben.
Alle, die gerade eine Erhöhung des Rentenalters fordern, müssen auch geleichzeitig beantworten, wie sie genau dieses Dilemma auflösen wollen. Und dabei geht´s nicht um die gefühlten 60 Millionen Dachdecker und Krankenschwestern, die so gerne durch die Parteien und die Medien geistern. Es geht um dich und mich!
Alter darf im Berufsleben nicht mehr länger und fast ausschließlich als Makel gesehen werden. Es muss aufhören, dass du spätestens mit 60 ein geradezu zynisches No-Return-Ticket in eine No-Go-No-Job-Area bekommst und es keinen interessiert ob du da drin verreckst. Geh doch arbeiten, du Faulenzer! Selbst Schuld, dass du so alt bist!